Bilanz 2022: Erfolgreiches Krisenmanagement als Basis für stabilen Ausblick
„Wir blicken auf ein turbulentes und außerordentlich herausforderndes Jahr 2022 zurück, welches VNG in eine beispiellose unternehmerische Situation brachte“, eröffnet Ulf Heitmüller, Vorstandsvorsitzender der VNG AG, das diesjährige Bilanzpressegespräch 2023 in Leipzig. „Der russische Angriffskrieg war ein Wendepunkt für die gesamte Energiewirtschaft und damit auch für den VNG-Konzern. Das Jahr 2022 hat bewährte Marktmechanismen verändert. Zugleich war das Marktgeschehen extrem volatil. Durch den Wegfall russischer Gasmengen stand die Versorgungssicherheit mit Gas wie noch nie im politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fokus. Dennoch ist es uns gelungen, russisches Erdgas – wenn auch zu hohen Kosten – schnell und verlässlich zu ersetzen“, so Heitmüller.
Mit großen Herausforderungen sah sich VNG insbesondere im Geschäftsbereich Handel & Vertrieb konfrontiert, um als systemrelevantes Unternehmen der Gaswirtschaft weiterhin die Versorgungssicherheit zu garantieren, ordnet Heitmüller ein: „Wettbewerbsfähige Marktpreise waren nicht mehr selbstverständlich. Wir mussten durch die Substitution der weggefallenen russischen Gasmengen extrem hohe Ersatzbeschaffungskosten stemmen, um unsere Kunden weiter zu den vertraglich vereinbarten, deutlich niedrigeren Preisen verlässlich beliefern zu können.“
VNG hat das Geschäftsjahr 2022 mit einem adjusted EBIT, also das um außerordentliche und um einmalige Effekte bereinigte EBIT, von -205 Mio. Euro abgeschlossen (2021: 225 Mio. Euro). Das operative Konzernergebnis liegt mit -337 Mio. Euro ebenfalls deutlich unter dem Vorjahr (2021: 141 Mio. Euro). VNG erzielte im Geschäftsjahr 2022 einen abgerechneten Umsatz in Höhe von 36,2 Mrd. Euro (2021: 18,5 Mrd. Euro). Die Verdopplung des Umsatzes ist auf die außerordentlich hohen Marktpreise für Erdgas zurückzuführen. Der VNG-Konzern beschäftigte zum 31.12.2022 insgesamt 1.578 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (2021: 1.462). Der Zuwachs ist in der erstmaligen Einbeziehung der GDMcom GmbH, einer Tochter der ONTRAS Gastransport GmbH (ONTRAS) in den Konzernabschluss begründet. Trotz der großen wirtschaftlichen Herausforderungen investierte VNG im vergangenen Jahr 128 Mio. Euro über alle Geschäftsbereiche hinweg. Dabei lag der Investitionsfokus auf der Infrastruktur und Grüngasprojekten, um die Strategie „VNG 2030+“ konsequent umzusetzen.
„Wir haben dieses schwierige Jahr vergleichsweise gut gemeistert. Die finanziellen Mehrbelastungen im Zuge der Ersatzbeschaffung zehrten massiv am Eigenkapital und hinterließen schlussendlich tiefe Spuren in unserer Bilanz. Nichtsdestotrotz ist es in einer gemeinsamen Kraftanstrengung gelungen, sich in drei Schritten kapitalseitig wieder solide aufzustellen. Die ersten beiden Bausteine waren die Vergleichsvereinbarung mit einem Tochterunternehmen der SEFE Securing Energy for Europe GmbH und die vergleichsweise Einigung mit der Bundesregierung im Zusammenhang mit den Ersatzbeschaffungskosten aus dem direkten Liefervertrag mit Gazprom. Der dritte und letztendlich entscheidende Schritt war die Eigenkapitalerhöhung durch unsere Aktionäre. So konnten wir eine Verstaatlichung von VNG abwenden. Diese Stabilisierung ist auf die Unterstützung von Bund, unseren Aktionären sowie auf unsere exzellente operative Performance zurückzuführen. Zugleich möchte ich mich für den unermüdlichen Einsatz unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bedanken“, resümiert Bodo Rodestock, Vorstandsmitglied für Finanzen und Personal der VNG AG.
„Unserem insgesamt negativen Konzernergebnis und den Verlusten im Geschäftsbereich Handel & Vertrieb stehen Entwicklungen in den Geschäftsbereichen Transport, Speicher, Biogas sowie im neu etablierten Geschäftsbereich Digitale Infrastruktur gegenüber, die positiv auf das Konzernergebnis einzahlen. Dennoch hat die VNG H&V trotz der schwierigen Marktbedingungen eine exzellente Leistung erbracht und konnte so weitaus höhere Verluste abwenden. Das zeigt insgesamt die Stärke der breiten Aufstellung von VNG“, so Rodestock. Die Konzerntochter ONTRAS hat einen hohen zweistelligen Millionenbetrag zum Jahresergebnis beigetragen. Damit kommt dem Geschäftsbereich Transport eine unverändert tragende Säule im VNG-Konzern zu.
Der Geschäftsbereich Speicher hielt in Folge stark schwankender Sommer-Winter-Spreads im letzten Jahr, konsequent an ihren Kostenzielen fest, um die Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern. Aus dem operativen Geschäft erzielte die VNG Gasspeicher GmbH trotz eines volatilen Marktumfeldes ein adjusted EBIT in mittlerer zweistelliger Millionenhöhe.
Besonders herausfordernd gestaltete sich das abgelaufene Geschäftsjahr für den Geschäftsbereich Handel & Vertrieb, in dem das ergebnistreibende Großkunden- und Handelsgeschäft der VNG verortet ist. Der Gasabsatz hat sich u. a. aufgrund preisbedingter Nachfragereduktion um 23 % auf rund 588 Mrd. Kilowattstunden (kWh) verringert (2021: rund 762 Mrd. kWh). Im Jahr 2022 dominierten die Ersatzbeschaffungskosten für ausgefallene russische Importmengen das Ergebnis, wodurch die VNG Handel & Vertrieb GmbH (VNG H&V) insgesamt mit einem negativen Ergebnisbeitrag in mittlerer dreistelliger Millionenhöhe zum Gesamtergebnis von VNG beitrug.
Die BALANCE Erneuerbare Energien GmbH (BALANCE) leistete in 2022 einen beständigen Beitrag zur konsequenten Umsetzung der Konzernstrategie „VNG 2030+“, indem der Geschäftsbereich Biogas durch einen Portfolioausbau erfolgreich anwuchs. So konnte die Anzahl der von BALANCE insgesamt betriebenen Biogasanlagen in 2022 auf 40 Anlagen in Ost- und Norddeutschland und eine installierte Feuerungswärmeleistung von rund 174 MW (MWFWL) ausgebaut werden. Damit versorgt BALANCE jährlich rund 51.000 Haushalte mit erneuerbarem Strom und mehr als 53.000 Haushalte mit grünem Gas. Der Geschäftsbereich Biogas erzielte ein adjusted EBIT im oberen einstelligen Millionenbereich.
Im neuen fünften Geschäftsbereich fokussiert sich VNG auf den Ausbau und Betrieb von digitaler Infrastruktur. Hierbei investiert VNG über diverse Beteiligungen und Tochterunternehmen direkt und indirekt in den Ausbau des Glasfasernetzes sowie in das FTTX-Geschäft und unterhält kommunale Kooperationen in Mitteldeutschland. Das adjusted EBIT des Geschäftsbereichs Digitale Infrastruktur bewegt sich im Geschäftsjahr 2022 im hohen einstelligen Millionenbereich.
Transformation im Bereich grüner Gase beschleunigt
„VNG versteht sich als aktiver Gestalter der Energiewende. Die Transformation der VNG hin zu grünen Gasen wurde noch stärker beschleunigt“, sagt Hans-Joachim Polk, Vorstandsmitglied für Infrastruktur und Technik der VNG AG. „Moleküle werden auch über Erdgas hinaus mit Biogas und Wasserstoff für eine sichere und wettbewerbsfähige Energieversorgung von Wirtschaft und Privathaushalten notwendig bleiben. Im Biogasbereich gelang es uns, im letzten Jahr neben dem Ausbau des Anlagenportfolios durch eine strategische Kooperation zur Produktion und Distribution von Bio-LNG mit der EnviTec Biogas AG, den Grundstein für weiteres Wachstum legen. Auch bei unseren klimafreundlichen Wasserstoffprojekten konnten wir an Dynamik gewinnen. Es ist wichtig, die vorhandene Infrastruktur wie LNG-Terminals, Fernleitungs- und Verteilnetze oder die Speicherinfrastruktur für den Hochlauf grüner Gase
zu nutzen. Beispielsweise bereitet sich ONTRAS auf den Transport von Wasserstoff vor. Kernbestandteile mit ONTRAS-Beteiligung sind zum Beispiel das Wasserstoff-Startnetz in Ostdeutschland oder der European H2-Backbone“, so Polk weiter.
„Wir wollen unsere starke Position im Gasmarkt nutzen, um die Energiewende zu beschleunigen. Dafür investieren wir in Ostdeutschland in Projekte mit erneuerbaren und dekarbonisierten Gasen“, so Polk. Neben dem Leuchtturmprojekt „Energiepark Bad Lauchstädt“ in Sachsen-Anhalt, in dem in einem Reallabor der Energiewende die gesamte Wertschöpfungskette von grünem Wasserstoff abgebildet werden soll, engagiert sich VNG in einem weiteren Konsortium für die Produktion von Wasserstoff aus Rohbiogas. In einem durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderten Projekt ist die Errichtung einer entsprechenden Versuchsanlage auf dem Gelände einer Biogasanlage der BALANCE im sächsischen Gordemitz geplant, um grünen Wasserstoff für die lokale Anwendung im Transportsektor herzustellen.
„Neben dem beträchtlichen Potenzial zur Wasserstoffproduktion in Ostdeutschland müssen wir die Importinfrastruktur mitdenken: Nur durch neue internationale Kooperationen und zusätzliche Importe von Wasserstoff und dessen Derivaten können wir die Nachfrage für einen erfolgreichen Strukturwandel decken. Aus unserer Sicht kann die Hansestadt Rostock mit ihrem Überseehafen und einem bereits existierenden Ammoniak-Terminal als eine Drehscheibe für internationale Wasserstoffimporte nach Ostdeutschland fungieren“, erläutert Polk. Gemeinsam mit dem norwegischen Energieunternehmen Equinor plant VNG, Wasserstoff CO2-arm in Rostock herzustellen. Das Projekt soll zur lokalen und regionalen Wertschöpfung beitragen und 20 % des prognostizierten Wasserstoffbedarfs in Ostdeutschland in 2030 abdecken. Zudem arbeitet VNG mit dem französischen Energieunternehmen Total Eren am Aufbau einer grünen Wasserstofflieferpartnerschaft mit Chile. Ziel ist es, grünes Gas, d. h. erneuerbares bzw. dekarbonisiertes Gas, in Form von Ammoniak nach Rostock zu transportieren und als Wasserstoff in Ostdeutschland zu verteilen. Ebenso kooperiert VNG mit dem algerischen Energieunternehmen Sonatrach im Bereich langfristiger Wasserstoff- und Ammoniakprojekte, um perspektivisch den Import von grünem Wasserstoff aus Algerien nach Deutschland zu realisieren.
Mit Blick auf 2023 betont Heitmüller: „Auch wenn wir kurz- und mittelfristig noch Erdgas brauchen, gilt es, CO2-neutral zu werden und das wird deutlich schneller kommen als erwartet. Wir sehen uns in der Verantwortung, eine zunehmend klimaneutrale Gesellschaft aktiv mitzugestalten und als Teil der Gaswirtschaft mit Molekülen einen Beitrag zu leisten, unser Energiesystem sicher zu transformieren. Insbesondere ein rascher Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft trägt zur Versorgungssicherheit bei. Im Zuge richtiger politischer Weichenstellungen, wie etwa Rechtssicherheit bei Investitionen in die Wasserstoffinfrastruktur oder Technologieoffenheit auf dem Weg in die Dekarbonisierung, kann sich VNG mit ihren Kernkompetenzen erfolgreich in den Hochlauf grüner Gase einbringen: Handel & Vertrieb, Transport und Speicherung. Wichtige Bestandteile unseres gesamten Engagements werden auch künftig die Wertschöpfung in Ostdeutschland und die Transformation der regionalen Energieversorgung sein.“
VNG ist ein europaweit aktiver Unternehmensverbund mit über 20 Gesellschaften und rund 1.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Der Konzern mit Hauptsitz in Leipzig steht als Gasimporteur und Großhändler sowie als Betreiber von kritischer Gasinfrastruktur für eine sichere Versorgung mit Gas in Deutschland. Mit der Strategie „VNG 2030+“ verfolgt VNG darüber hinaus einen ambitionierten Pfad für einen Markthochlauf erneuerbarer und dekarbonisierter Gase wie Biogas und Wasserstoff und bereitet damit den Weg in ein nachhaltiges, versorgungssicheres und perspektivisch klimaneutrales Energiesystem der Zukunft.
Pressebild
Vorstandsmitglieder der VNG AG: Ulf Heitmüller, Bodo Rodestock und Hans-Joachim Polk (v. l. n. r.) © Jeibmann Photographik/T. Pross
Finanzinformationen
Hier finden Sie die aktuellen Finanzkennzahlen zum Geschäftsjahr 2022.